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AutorenbildHeike Bitterle

Das Herz öffnen - was bedeutet das eigentlich?

Hätte man mir vor ein paar Jahren von einer "Herzöffnung" erzählt, hätte ich vermutlich angenommen, es handelt sich um eine Operation am Herzen.


In Yoga-Stunden bin ich auf herzöffnende Asanas gestoßen und habe gespürt, dass diese die körperliche Weitung des Brustbereiches ansprechen.


Und überhaupt dachte ich lange, dass, nachdem das Herz links schlägt, diese "Herzöffnung" wohl auch irgendwie diesen Muskel ansprechen mag.





Tja, die Reise nach innen hat mir gezeigt, dass die Herzöffnung etwas Energetisches und Emotionales ist. Dass dieses Herz nicht unbedingt links, sondern eher zentral mittig liegt und wir ganz klar spüren können, ob es gerade geöffnet oder verschlossen ist.


Wie verschließt sich ein Herz?


Zunächst einmal - wie kommt es eigentlich dazu, dass unser Herz verschlossen ist?


Die meisten Menschen (bislang alle, die mir begegnet sind) machen in ihrer frühen Kindheit die Erfahrung, sich zu öffnen und ihre Verletzlichkeit zu zeigen, nur um dann auf Ablehnung, Abweisung, Kritik oder Ähnliches zu stoßen. Das Kind, dem etwas Trauriges, Schmerzhaftes oder Angstauslösendes widerfährt, sehnt sich nach einem sicheren Ort, an dem es diese Gefühle fühlen kann. Es sucht den Rat von Eltern oder anderen vertrauenswürdigen Personen und teilt sich mit. Doch anstatt auf Verständnis und einen sicheren Hafen zu stoßen, trifft es auf genervte oder gestresste Eltern, Verwandte, Lehrer, Nachbarn oder andere, die sich von ihm abwenden, es zurechtweisen oder nicht ernst nehmen.


Das Kind zieht daraus den Schluss, dass Gefühle zeigen nicht sicher ist, "da werde ich abgelehnt, das ist nicht richtig, nicht in Ordnung, sorgt für Bestrafung und ist lebensbedrohend". Denn, dieser Mensch ist noch so klein und auf die Hilfe anderer angewiesen - diese Ablehnung wird somit zu einer enormen Bedrohung für den kleinen Menschen. So entsteht der Anfang einer langen Beziehung mit einer inneren Mauer, die um das Herz aufgebaut wird, um keine Gefühle mehr zuzulassen und die tiefe, schmerzhafte Erfahrung der Ablehnung oder des Nichternstgenommenwerdens nie wieder zu durchleben.





Daraus resultieren harte Mauern und Kanten, die selbst als Erwachsene noch direkt zum Vorschein kommen, um ja nicht verletzt zu werden. Auf diese Weise halten wir nicht nur Fremde, sondern auch unsere Liebsten auf Distanz.


Wir sehnen uns nach Herzöffnung


Dabei sehnen wir uns alle nach Nähe; danach, angenommen zu werden, wie wir sind. Nach Zugehörigkeit, Mitgefühl, Verständnis, Verbundenheit und Miteinander. Unsere Mauern halten uns jedoch davon ab.



Das Herz wieder öffnen


Die Herzöffnung bedeutet daher, sich langsam wieder heranzutasten und in kleinen Schritten die Mauern Stück für Stück abzubauen, um neue Erfahrungen zu ermöglichen; zu spüren, dass trotz der ständigen Gefahr der erneuten Ablehnung, das Zulassen von Gefühlen lohnenswert ist. Es lohnt sich zu erkennen, dass Gefühle selbst uns nicht verletzen, sondern dass sie fließen wollen, um uns dem gesamten Spektrum aller Emotionen zu öffnen - den vermeintlich positiven wie den negativen. Als Erwachsene können wir uns jetzt selbst halten, so wie dieser kleine Mensch sich damals nichts mehr gewünscht hätte, als auf Verständnis und Zugewandtheit zu stoßen, als es von seinen Erfahrungen berichten wollte.





Sich vom Leben berühren lassen


Je mehr wir das Herz öffnen, desto intensiver kann das Leben uns berühren. Wir fangen wieder an, uns lebendig zu fühlen und das gesamte Spektrum an Emotionen zu erleben. Denn dafür sind wir hierher gekommen - um alles zu erfahren.


Die Größe liegt darin, sich auch vor dem Schmerzhaften nicht zu verschließen, nicht in die Ablehnung zu gehen, nicht zu verurteilen und die Mauern nicht erneut aufzubauen. Stattdessen sollten wir uns mitfühlend davon berühren lassen.


Als mutige/r Krieger/in mit festem Stand und offenem Herzen sollten wir den Blick auf eine größere Vision einer heileren Welt richten.





Wie taste ich mich nun an die Herzöffnung heran?


Gefühle zuzulassen ist manchmal leichter gesagt als getan. Zu mir meinte mal jemand "Die meisten Menschen denken ihre Gefühle, statt sie zu fühlen".


Körperliche Wahrnehmungen von den Geschichten des Verstandes trennen


Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass Gefühle nicht die Geschichten sind, die uns unser Verstand über bestimmte Erfahrungen und Situationen erzählt. Das Gefühl von Angst ist beispielsweise nicht die Geschichte "Ich schaffe das sowieso nie, ich bin nicht stark genug, ich bekomme das nicht hin", sondern vielmehr das Kribbeln im Körper, die Enge in der Brust oder die flachere Atmung.


Wir dürfen uns darin üben, die körperlichen Wahrnehmungen, die mit einem Gefühl einhergehen, von den Geschichten des Verstandes zu trennen. Dabei kann es hilfreich sein, im Alltag immer öfter in den Körper hineinzuspüren - was ist gerade da? Was nehme ich jetzt gerade wahr? Spüre ich Enge, Druck, Kribbeln, Wärme, Kälte, Zucken?


Vor allem der Tastsinn kann helfen, wieder eine Verbindung zum Körper aufzubauen. Barfuß auf der Erde stehen und die Textur spüren. Kaltes oder warmes Wasser unter der Dusche auf der Haut wahrnehmen. Die Textur des Essens wahrnehmen. Die Sonne oder den Wind auf der Haut wahrnehmen.





Erden um Halt zu spüren


Gefühle können ziemlich intensiv sein, besonders wenn wir uns neu auf sie einlassen. Für unser Nervensystem ist es entscheidend, sich sicher zu fühlen, um sich öffnen zu können. Es geht darum, sich selbst den vertrauensvollen, sicheren Hafen zu schaffen, nach dem man sich als Kind gesehnt hat. Das kann bedeuten, sich buchstäblich oder im übertragenen Sinne zu erden, die eigenen Füße auf der Erde zu spüren, um sich sicher und gehalten zu fühlen. Vielleicht bedeutet dies auch, einen sicheren Ort mit anderen Menschen aufzusuchen - sei es bei einem Therapeuten, einem Coach, in einer Gruppe oder bei einem engen Freund.


Übungen, die das Nervensystem beruhigen, können dabei sehr unterstützend sein. Die Atmung spielt dabei oft eine wichtige Rolle. Die bewusste Verlängerung der Ausatmung ist ein einfacher Weg, um den Parasympathikus anzusprechen.


Das eigene Tempo finden


Dieses Nervensystem braucht Zeit, um sich an neue Erfahrungen zu gewöhnen und festzustellen, dass wir außerhalb der Komfortzone sicher sind. Daher ist es hilfreich, bildlich gesprochen nicht gleich vom 10-Meter-Turm zu springen, sondern sich zunächst am 1-Meter-Brett zu üben. Jeder Mensch hat ein ganz individuelles Tempo und eine persönliche Timeline. Es ist wichtig, das eigene Tempo bewusst zu wählen, um das eigene System nicht direkt zu überfordern. Auf diese Weise kann es helfen, sich schrittweise an die Gefühle heranzuwagen, anstatt direkt die tiefen Wunden aufzureißen.





Zuletzt - Gefühle wollen fließen


Die Herzöffnung ist ein wunderschöner Akt, sich dem Leben zu öffnen. Dabei kann auch Schmerz aufkommen, denn alle Gefühle gehören zum bunten Blumenstrauß dazu. Wichtig ist, sich stets bewusst zu machen, dass Gefühle lediglich Energie in Bewegung sind, sie möchten also einfach fließen können.


Intensive Gefühle tauchen auf, um einmal durchgefühlt zu werden und dann davonzuziehen. Ähnlich wie bei einer Magenverstimmung, wenn man sich körperlich schlecht fühlt, um dann das loszuwerden, was nicht ins eigene System gehört.


Dies ermöglicht, sich dann mit offenem Herzen dem Leben zuwenden zu können, tief verankert im eigenen Sein.






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